Orientierung und Akzente des isp

Sexualität ist sowohl sozial geformt als auch individuell kultiviert. Sie zeigt sich - je nach Alter, Geschlecht, sexueller Orientierung und gesellschaftlichem Umfeld - in einer Vielfalt sexueller Lebens- und Ausdrucksformen, die neben- und nacheinander gelebt werden können. Jugendliche und Erwachsene werden dadurch im Verlauf ihres Lebens immer wieder zu erneuter bewusster Entscheidung für eine sexuelle Lebensform herausgefordert.

Aufgabe von Sexualpädagogik und sexueller Bildung ist es, Menschen auf ihrem Weg zu sexueller Selbstbestimmung und Verantwortlichkeit zu begleiten und zu unterstützen. Sexualpädagogik soll Perspektiven aufzeigen, ohne zu indoktrinieren, und Anhaltspunkte für eine Orientierung geben, ohne zu reglementieren.

Sie bietet Heranwachsenden und Erwachsenen Lernchancen zur Entwicklung jener Kompetenzen, die die Grundlage sexueller Mündigkeit bilden. Dazu zählen neben dem Wissen über Sexualität auch Einfühlung in die Bedürfnisse anderer, Reflexion sexueller und geschlechtsbezogener Erfahrungen sowie die Fähigkeit, über Sexualität sprechen und bewusst Wertentscheidungen treffen zu können.

Eine auf Selbstbestimmung zielende sexualpädagogische Begleitung zeichnet sich aus durch Angebote, die ausgewogen sind im Sinne

  • einer Balance zwischen offenem Gespräch und dem Respekt vor persönlicher Intimität,
  • einer Balance zwischen aktiver pädagogischer Initiative und der Vermeidung bevormundender Einmischung und
  • einer Balance in der Beachtung eigener und fremder Interessen und Bedürfnisse.

Als zielgruppenorientierte Sexualpädagogik ist sie realistisch in der Einschätzung ihres begrenzten Einflusses und berücksichtigt die verschiedenen Aspekte, unter denen Sexualität von Jugendlichen und Erwachsenen heute erfahren werden kann - sei es als lustvoll und identitätsstiftend, als problematisch und grenzverletzend oder als nebensächlich und banal.

Die sexualpädagogische Arbeit des isp basiert auf einem humanistisch-ganzheitlichen Ansatz mit Methoden des lebendigen Lernens. Dieser berücksichtig sowohl den Intellekt als auch Gefühle, Sinne, Körper und soziale Bezogenheit der Menschen, ist aufmerksam gegenüber den Entwicklungen der sexuellen Gegenwartskultur und bezieht die Erkenntnisse der Sexualwissenschaft und benachbarter Disziplinen mit ein.

In der Tradition emanzipatorischer Sexualpädagogik stehend, bezieht das isp Position zu gesellschaftlich-politischen Fragen. Es nimmt z. B. kritisch Stellung gegenüber Versuchen, Normen für die Gestaltung von Sexualität vorzugeben oder Sexualpädagogik politisch zu instrumentalisieren.

Gesellschaftliche und rechtliche Rahmenbedingungen

Das Schwangeren- und Familienhilfegesetz (SFHG) von 1992 beschreibt Sexualaufklärung als länderübergreifende, öffentliche Aufgabe. Der Artikel 1 des Paragrafen 1 bildet heute die entscheidende gesetzliche Grundlage für schulische und außerschulische Sexualaufklärung.

Er wurde durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Mai 1993 zum Paragrafen 218 StGB wie folgt ausgeführt:

Sexualaufklärung... soll mehr sein als nur Wissensvermittlung über biologische Vorgänge und die Technik der Verhütung, sie muss emotional ansprechend sein und die vielfältigen Beziehungsaspekte, Lebensstile, Lebenssituationen und Werthaltungen berücksichtigen. [...] Um vielfältige und vielseitige personale Kommunikation zu praktizieren, bedarf es qualifizierter Multiplikatoren in den Kontaktfeldern der anzusprechenden Zielgruppen.